• Ausgezeichnet mit dem Dialektpreis Bayern 2017

Unsere Biographie

1972 traten Reiner und Dietmar zum ersten Male im Gasthaus Mengele, Buttenwiesen, als „Mehlprimelbuam“in einer Kleinkunstveranstaltung auf. Im Jahr darauf folgte die Brettl-Premiere in der Großstadt, im legendären „Song Parnass“ in München. Schon bald wurde das folkloristische „Buam“ gestrichen, und seitdem ziehen die „Mehlprimeln“ seit 40+1 Jahren unermüdlich mit Gitarre, Tuba, Baritonhorn, Hackbrett, Harfe, Klarinette, Ukulele (nicht zu vergessen die herrliche quäkende Kindertröte) durch die Lande.

Begonnen hat alles in einem hochmusikalischen Elternhaus in Buttenwiesen, wo Vater Paul Panitz dafür Sorge trug, dass jeder der fünf Söhne ein Musikinstrument lernte. Sehr früh begann Reiner eigene Lieder zu texten und zu vertonen, die er mit den Brüdern Dietmar und Jürgen auf Dorffesten zum Besten gab. Gleichzeitig zeigten die Panitzbrüder ihr komödiantisches Talent im legendären Stadeltheater in Unterthürheim. Für Reiner und Dietmar sollten Musik und Satire Beruf und Berufung werden.

Anfangs standen Nonsens-Spielereien und Schwäbisch-Skurriles im Mittelpunkt ihrer Musik- und Liederabende, die sie durch Wirtshaussäle und Kellertheater hinein in die Herzen ihrer „Fans“ führten. Die Liebe zu ihrer Heimat, dem Dorf und dem Donauried, war stets spürbar. Dann wurden sie kämpferischer. Sie dichteten Spottlieder auf die einst geplante Magnetschwebebahn im benachbarten Donauried, sangen Protestsongs wider das Atomprojekt im nahen Pfaffenhofen und nahmen Franz Josef Strauß und einige seiner Kabinettskollegen im „Heimatverbrecher-Zwiefachen“ aufs Korn. Aus Spaßmachern wurden engagierte, mal rotzfreche, mal bitterböse Volksmusikanten. Damit eckten die Mehlprimeln bei der Polit-Prominenz an. Sie standen im Ruf, „Grüne“ zu sein. Trotzdem oder sogar deswegen wurden sie als ausgewiesene „linke Bänkelsänger“ ebenso wie die befreundeten Biermösln im süddeutschen Raum bekannt und beliebt.

Ein Zufall änderte 1980 die weitere Mehlprimeln-Karriere. Bei einer Veranstaltung im fernen Saarbrücken, als die Mehlprimeln kurzfristig für eine andere Gruppe einspringen mussten, machte sich ihnen ein Herr aus München bekannt: „Grüß Gott, Hildebrandt!“ Aus dieser ersten Begegnung mit Dieter Hildebrandt wurde eine lange künstlerische und freundschaftliche Beziehung. Es folgten viele gemeinsame Auftritte, z.B. in der „alten Fabrik“ in Hamburg (zusammen mit Wolf Biermann), in den großen Rundfunkanstalten, im „Scheibenwischer“, in Theatern, Festival-Zelten und Hallen. Sie standen mit Hans Dieter Hüsch, Gerhard Polt, Werner Schneyder, Fredl Fesl und vielen anderen auf der Bühne. Konzerte auf der Wiener Prater-Insel, dem Donau-Festival, den Ruhrfestspielen, im Mozarteum in Salzburg, im Mainzer Unterhaus, in der Lach- und Schießgesellschaft und auf ungezählten Kleinkunstbühnen im ganzen deutschsprachigen Raum machten die Mehlprimeln weithin bekannt. Fernsehaufzeichnungen (darunter die denkwürdige BR-Ausblendungs-Sendung am 30. Mai 1986), Radiomitschnitte, Platten- und CD-Aufnahmen sowie zwei Bücher geben Zeugnis von der Kreativität der Mehlprimeln. 1982 überraschten die Mehlprimeln ihr Publikum zu dritt. In der vollbesetzten Augsburger Kongresshalle erschien an ihrer Seite Ruth Gschwendtner. Sie sang das „Wiegenlied“ von Eckart Hachfeld, dem Hausautor des Düsseldorfer Kom(m)ödchens, in einer Vertonung von Reiner. Aus diesem Lied wurde ein Programm und schließlich eine mehrjährige Zusammenarbeit.

Seit den 70-er Jahren spielten Reiner und Dietmar zusammen mit vier Freunden als „Thürlesberger Tanzlmusik“ in den Wirtshausstuben und -sälen des Zusamtals zum Tanz auf. Hautnah und wehmütig beobachteten sie den Niedergang der dörflichen Gasthäuser. Die Konkurrenz der Vereinsheime und der Mehrzweckturnhallen, das Aufkommen der ländlichen Discos beschleunigten das Wirtshaussterben in den Dörfern und Städten. Der Wunsch nach einem eigenen Gasthaus wurde in den Panitz-Brüdern wach.

1986 kauften die Mehlprimeln die 300 Jahre alte heruntergekommene Klosterbrauerei in Kaisheim. In dreijähriger Schwerstarbeit, mit der Bauerfahrung des Bruders Jürgen und der Unterstützung vieler Helfer, mit hohem persönlichen und finanziellen Aufwand verwandelten sie das historische Gemäuer in das stilvolle, anheimelnde Gasthaus mit einem tollen Weinkeller und der Bühne „Kleinkunstbrauerei Thaddäus“. Für ihr Engagement wurden die Brüder sowohl mit der Bayerischen Denkmalschutzmedaille als auch mit dem Denkmalpreis der Hypo-Kulturstiftung ausgezeichnet. Die ehemalige hohe Sudhalle mit ihrem Gewölbe und den feingliedrigen Säulen ist mittlerweile eine Kultstätte für Musik und Kleinkunst geworden, die von einem engagierten Förderverein wirkungsvoll unterstützt wird. Auf der Thaddäus-Bühne traten in den letzten Jahren sowohl die „Großen“ der Kleinkunst als auch erstklassige Nachwuchskünstler auf.

Der Barocksaal ist auch die „Heimatbühne“ der Mehlprimeln. Ihre Programme im Fasching, zu Ostern und am Muttertag sind nach wie vor eine höchst vergnügliche, absurde Mixtur aus virtuoser Instrumentalmusik und Bellman-Liedern, aus Witz und Sarkasmus, Poesie und Parodie, Wahnsinn und Chaos, Spottgesängen und Volksmusik, Literatur und Nonsens mit Niveau. Eine Mischung, die das Publikum immer wieder begeistert. Dazu kommen aktuelle Beiträge, die sich mit den politischen Auswüchsen, den modernen Medien und den Problemen einer alternden Gesellschaft beschäftigen. Als „work in progress“, wie Volker Pispers seine Auftritte seit einem Jahrzehnt bezeichnet, sind auch die Auftritte der Mehlprimeln eine ständig aktualisierte, wilde Mischung aus Altem und Neuem. Kein Abend ist wie der andere, und das Publikum bestimmt durch seine Reaktionen den Ablauf des Abends mit. Höhepunkt im Kleinkunstjahr ist die „Schöne, wilde Weihnacht“ der Mehlprimeln. Die Abende – begleitet von den Thürlesbergern oder dem befreundeten Geigenensemble Radosov aus der Slowakei – sind Kult im Thaddäus.

40+1 Jahre auf der Bühne: Aus den frechen Gaudiburschen sind gestandene Kleinkünstler geworden: älter (unleugbar), reifer (bedingt), nachdenklicher und hintergründiger und ganz bestimmt literarischer. Geblieben aber ist: Die Lust am Musizieren, Improvisieren, Phantasieren, Formulieren und Fabulieren.

Aus der Presse:

„Die Mehlprimeln gehören zu den wild wachsenden Schlüsselblumen auf den Moorwiesen Mitteleuropas. Sie sind geschützt, besonders die bunt blühenden Arten. Vielleicht erklärt diese naturkundliche Auskunft die zähe Vitalität, mit der die Mehlprimeln Reiner und Dietmar Panitz … kabarettistische Glanzlichter auf die Moore und Sümpfe der Gesellschaft setzen.“ (Erich Pawlu, DZ)


Mit Dietmar Panitz geht ein Großer

Nachruf  Der Heimatliebende, politische Streiter und Künstler des bayerischen Musikkabaretts  stirbt nach schwerer Krankheit. Er war die eine Hälfte der „Mehlprimeln“

Donauwörther Zeitung vom Samstag, 18. Juni 2020
VON BARBARA WURMSEHER
UND HELMUT BISSINGER

Kaisheim  Die regionale, aber auch die überregionale, bisweilen inter- nationale Kleinkunstszene ist um eine große Bühnenpersönlichkeit ärmer: Dietmar Panitz, die eine Hälfte des Kaisheimer Kabarett-Duos „Die Mehlprimeln“ starb jetzt m Alter von 67 Jahren nach schwerer Krankheit. Zurück bleibt die zweite Mehlprimel-Hälfte Reiner Panitz. Zurück bleiben auch die Brüder Jürgen und Volker Panitz, die Familie und eine große Fange- meinde.nzählige Lieder haben sie ge­schrieben, die Mehlprimeln. Mit den Charakterköpfen ihres Genres - des bayerischen Musikkabaretts - sind sie gemeinsam aufgetreten, darunter Gerhard Polt, Fredl Fesl, Dieter Hildebrand und viele andere. Sie sind bekannt und geschätzt weit über ihren hiesigen Wirkungskreis hinaus. Bis zuletzt hat Dietmar Pa­nitz daran geglaubt, seine Krankheit zu besiegen. Bis zuletzt hat er, wie er in einem letzten Telefonat mit unserer Redaktion erst vor einigen Wochen sagte, von weiteren Auf­tritten im Herbst geträumt. Denn die Mehlprimeln waren seit 50 Jahren auf der Bühne, ein bayerischer Kult.
  „Es gibt sie schon länger als die Grünen, und sie waren immer schon grüner als sie“, hat Dietmar Hilde­brand einmal über die Mehlprimeln gesagt. In Buttenwiesen, im Donau­ried aufgewachsen, wurde Dietmar Panitz von der Liebe zur dortigen Landschaft und von seinem Vater besonders geprägt. Gerne hat der unprätentiöse Künstler von seinem Vater erzählt, einem Apotheker, der mit den Söh­nen zum Pilzsammeln gegangen ist und fünf Instrumente beherrscht hat. Sonntags spielte er auf dem Ak­kordeon und Sohn Dietmar begleitete ihn auf der Gitarre. Später, als im Donauried, ein Atomkraftwerk entstehen sollte, setzten sich alle vier Panitz-Brüder an die Spitze einer Gegenbewegung, mobilisierten die Bauern im Heimatdorf Buttenwiesen und im benachbarten Pfaffenhofen. Sie holten Gerhard Polt zu einem Protestabend ins Dorf und gründeten eine Bürgerinitiative.

   „Die ham’s probiert in unserm Riad, und se d’ Finger gscheid ver- briaht“, heißt es in einem Lied, das erst in diesen Tagen Volker Panitz geschrieben hat und das an den Kampf der Mehlprimeln gegen Großprojekte im Donauried erinnert. Viele Songs des Duos gerieten zu Liebeserklärungen an die Landschaft zwischen Donau und Zusam. Mit ihren kritisch-politischen Texten in den Volksmusikmelodien gelang es den Panitz-Brüdern, das Vorhaben Atomkraftwerk zu verhindern.
In Kaisheim gründeten Dietmar, Reiner und Jürgen schließlich die heute legendäre Kleinkunstbühne Thaddäus. Ihnen gelang es, die ganz Großen „aufs Land zu ziehen“ - wie es Dietmar Panitz gerne und voll­kommen treffend formulierte.
In den letzten Jahren der Mehl­primeln wurden die gesellschafts­kritischen Texte in den Liedern we­niger. Die Brüder beleuchteten zum Vergnügen ihres Publikums nun mehr und mehr kuriose Alltagsbe­gebenheiten. Sie nahmen die Merk­würdigkeiten des Lebens mit einem Augenzwinkern auf die Schippe. Eine Regel des guten Tons war dem nun Verstorbenen dabei stets wich­tig, die betonte er auch in jedem In­terview: „Du darfst nie unter die Gürtellinie gehen.“
   Mit Dietmar Panitz verliert die Region einen Naturliebhaber, einen Pionier des politischen Musikkaba­retts und eine Persönlichkeit, die bei aller Streitbarkeit immer liebenswert geblieben ist.